Ich war nie ein großer Fantasy – Fan. Ja, ich hab die ersten 4 Harry Potter Bücher gelesen, die Filme geguckt und kann grob wiedergeben was in Herr der Ringe passiert. Aber wenn mich jemand vor einem Jahr gefragt hätte: „ Hast du die Hexer Saga schon gelesen?“ oder „ Was hälst du von Game of Thrones?“ – ich hätte mich vehement gewehrt, mich auch nur ansatzweise mit dem Stoff auseinander zu setzen.
Elfen, Goblins und mittelalterliche Settings, in einer malerischen Landschaft waren noch nie meine persönliche Präferenz. Vielleicht lag es auch daran, dass in meiner Ausbildungszeit im Buchhandel Fantasy- Leser als… naja, nennen wir es mal, „speziell“ betitelt wurden. Graue Mäuschen, die sich in der Schulpause auf dem Klo verstecken, um heimlich ihr neustes „Nackenbeisser“ – Buch zu Ende zu lesen. Nerds die „Dungeons & Dragons“ spielen und sich in ihrer Freizeit als Ritter verkleiden. Kurgesagt: Außenseiter. Ziemlich herablassende Ansicht oder ? Mir ist es auch rückblickend etwas peinlich, dass ich genau derselben Meinung war. Aber man lernt ja nie aus.
Nun verhält es sich so, das sich die Gamingszene schon lange mit Themen der Fantasywelten auseinandersetzt. „World of Warcraft“ oder „Dark Souls“ nur als Paradebeispiel genannt. Millionenfach gespielt. Und das Spielen nicht irgendwelche verstaubte Gestalten. Die Spanne reicht von Jung bis Alt, männlich und weiblich… „ We are everyone“ könnte der Slogan heißen. Wir leben im 21. Jahrhundert und der Computer und das Internet sind prägnanter Teil unseres Lebens. Keine Randerscheinung, kein Neuland.
Um den Bogen zum „Witcher“ zu spannen… mein Mann spielte vor circa 4 Jahren das Spiel „ The Witcher 3: Wild Hunt“ – schon damals wurde es als Geheimtipp gehandelt. Ich saß schwanger und gelangweilt neben ihm und dachte: „ Och nöööööö… nicht schon wieder so ein Spiel mit Drachen und Prinzessinnen.“ Aber von Minute zu Minute merkte ich, dass meine voreingenomme Einstellung völlig unbegründet war. Ein einsamer Krieger der in einer kaputten Welt für Recht und Ordnung sorgt. Ja klingt jetzt nicht wirklich packend. Aber die Interaktionen der vielen verschieden Charakteren, die Intrigen, Streitigkeiten und die moralischen Fragen, denen man sich am Ende selber stellen muss, erzeugen doch eine ziemlich nahe Bindung zu diesem Spiel und alles was es beinhaltet. ( Notiz am Rande und uneigennützige Selbstbeweihräucherung: Ich habe das Spiel vor kurzem komplett durchgespielt und habe sogar meinem Mann „überholt“ – der war auch ziemlich stolz auf mich).
Dann folgte DIE große Nachricht: „The Witcher“ wird als Serie auf Netflix produziert. Sie wurde letztes Jahr im Dezember ausgestrahlt. Die Erwartungen waren hoch. Schafft es Netflix den Fans gerecht zu werden? Denn einen ganz wichtigen Faktor habe ich noch nicht genannt: Das Ganze basiert auf einer Buchreihe des polnischen Autors Andrzej Sapkowski. Von 1993 bis 2000 erschienen insgesamt 8 Bände ( Band 1-5 = Haupstory + 3 Bände Vorgeschichte), die sich alle um den Hexer Geralt, Ciri und ihre Gefährten drehen. Also mussten alle Lager glücklich gestimmt werden. Denn das Spiel ist kein Abbild des Buches. Und der Autor war damals nicht wirklich begeistert, was das Entwicklerteam von CD Project stortytechnisch umgesetzt hat. Sei’s drum… die Serie war ein voller Erfolg und meine Bedenken, dass der „Superman“ Henry Cavill, meinen charismatischen Geralt niemals ersetzen könnte, vollends ins Gegenteil gewendet. Ich möchte an dieser Stelle auch nicht spoilern. Nur eins sei gesagt: Gebt nicht nach der ersten Folge auf. Is‘ wie mit nem guten Wein, muss man es erstmal wirken lassen. Und nachdem ich dann nach 8 Folgen purem Entertainment, allein mit meiner Trauer, von Netflix sitzen gelassen wurde… habe ich mich entschlossen an die Bücher zu wagen.
Vier Bücher habe ich nun schon gelesen – das große Finale liegt also jetzt in knapp 600 Seiten vor mir und was soll ich sagen… ich bin hin und her gerissen. Nicht weil ich etwas Negatives daran auszusetzen hätte. Ich möchte diese Welt einfach nicht verlassen. Am Anfang verhält es sich so wie mit der Serie. Du wirst hineingeschmissen und musst zusehen wie du dich zurecht findest. Aber sobald du ein gewisses Gefühl für die Schreibweise, Figuren und deren Beziehung zueinander hast, möchtest du nicht aufhören es zu lesen. Mein Vorteil ist natürlich da ich durch das Spiel und Serie, einen gewissen Wissensvorsprung hätte, also ungefähr einordnen könnte was passiert. Aber halt auch nur ungefähr. Denn die ganzen Nebenhandlungen, die währenddessen ablaufen, machen das Ganze zu einem riesigen, voll gepackten Paket an Spannung, dass du nicht verschlossen in der Ecke stehen lassen kannst.
Im Grunde geht es ja eigentlich „nur“ darum das der Meister (Geralt) seine Schülerin (Ciri) retten will. Beziehungsweise der komplette Fokus auf das Mädchen gerichtet ist, das die Welt retten, aber auch in den Ruin stürzen kann. Was aber nicht heißt, dass man stets und ständig nur verfolgt was sie tut. Das wäre auf einer Länge von 5 Bücher lächerlich. Auch hier – keine Spoiler. Das Erlebnis möchte ich euch nicht vorenthalten.
Darum nur noch eins:
Ich, Antonia Gundlach, verkünde hiermit feierlich, dass ich mich nicht mehr hinter Vorurteilen verstecken werde, wenn es darum geht Büchergenres zu bewerten. Es gibt so viele verdammt gute Bücher da draußen. Für jeden etwas dabei. Und ich, als vehement verweigernde Fantasy-Ablehnerin, wurde bekehrt. Ich hoffe, konnte euch ein wenig mit meiner entflammten Liebe für den Hexer anstecken. Und nun muss ich los mich auf dem Klo einschließen. Der 5. Band wartet.